DER HAUPTVORSCHLAG
Ethisches Know-How ist die fortlaufende, direkte
Erfahrung mit der Virtualität des Selbst
Die moderne Wissenschaft lehrt uns, dass das Selbst virtuell und leer ist und das es ständig entsteht, um mit Zusammenbrüchen in unseren Mikrowelten fertig zu werden. Taoismus, Konfuzianismus und Buddhismus lehren, dass ethisches Wissen in der Natur fortlaufend ist und in der fortwährenden Verwirklichung dieses leeren Selbst im gewöhnlichen Leben und Handeln begründet ist. Trotzdem vermeiden wir normalerweise diesen Aspekt unserer fragmentierten, virtuellen Natur und doch geht es beim ethischen Lernen um die Praxis. Mit anderen Worten, wenn wir keine Transformation praktizieren, werden wir nie den höchsten Grad an ethischer Kompetenz erreichen. Der Erwerb dieses Fachwissens ist zentral wichtig.
Unser natürlicher Impuls ist Mitgefühl
Die Praxis, die Leere in jedem Moment zu erkennen, ist bekannt als Praxis der Achtsamkeit/Bewusstheit. Im Wesentlichen ein radikales Nicht-Tun, wird es traditionell als universelle Praxis verstanden. Es wird gesagt, dass die volle Verwirklichung der Grundlosigkeit nicht stattfinden kann, wenn es keine Wärme gibt. Tatsächlich beginnen die meisten traditionellen Achtsamkeits-Lehren nicht mit Grundlosigkeit, sondern mit der Kultivierung von Mitgefühl. So wird gesagt, dass der Verlust eines festen Bezugspunktes oder Grundes in entweder sich selbst, anderen oder einer Beziehung zwischen ihnen, so untrennbar mit dem Mitgefühl verbunden ist, wie die zwei Seiten einer Münze. In dieser Sichtweise ist unser natürlicher Impuls Mitgefühl, aber er wurde von Angewohnheiten des Ego-Anhaftens verdunkelt, wie die Sonne, die von einer vorbeiziehenden Wolke verdeckt wird.
Die Verwirklichung dieses positiv gedachten Zustands ist keine Haaresbreite anders als die gewöhnliche Welt; es ist genau diese gewöhnliche, bedingte, unbeständige, schmerzhafte, grundlose Welt, die als der unbedingte, höchste Zustand erfahren (erkannt) wird. Und die natürliche Manifestation, die Verkörperung dieses Zustandes ist Mitgefühl - bedingungsloses, furchtloses, "rücksichtsloses", spontanes Mitgefühl. Wie ein zeitgenössischer tibetischer Lehrer treffend formuliert: "Wenn der vernünftige Geist nicht mehr klammert und greift, ... erwacht man in die Weisheit, mit der man geboren wurde und mitfühlende Energie entsteht ohne Vorspiegelung."